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Gelingende Beziehungen gestalten | Verantwortung übernehmen

3 min readMay 12, 2021
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Photo by Brett Jordan on Unsplash

In einem meiner letzten Artikel über Selbstwertgefühle habe ich als einen Aspekt die Eigenverantwortung aufgezählt. Ich habe gesagt, dass es wichtig wäre die volle, 100%-ige Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. In diesem Artikel will ich auf diesen Punkt der Verantwortung näher eingehen.

Jetzt denkt ihr euch wahrscheinlich: ja klar übernehme ich die volle Verantwortung für mein Leben, was denn auch sonst? Aber ich habe das Gefühl, dass das nicht die gelebte Realität vieler Menschen ist. Nur allzu oft wollen wir die Privilegien des Lebens, die “positiven” Aspekte in Anspruch nehmen, wir wollen Recht haben, wir wollen die Kontrolle über unser Leben haben, aber wir weigern uns die Pflichten, die “negativen” Aspekte zu erfüllen. Privilegien kann es nur in Verbindung mit Pflichten geben. Wenn wir nicht bereit sind die Pflichten zu erfüllen, dann können wir auch nicht von den Privilegien profitieren.

Das gilt für viele Bereiche im Leben. Ich habe die Verantwortung für meinen Körper. Ich habe damit die Pflicht für meinen Körper zu sorgen, ihn mit genug Wasser, guter Nahrung und Bewegung zu versorgen. Wenn ich diese Pflicht erfülle, dann kann ich auch die Privilegien eines starken Körpers genießen. Ich habe in diesem Sinne viel Bewegungsfreiheit und Energie, den Dingen nachzugehen, die mir in diesem Leben wichtig sind und denen ich nachgehen will.

Ein anderes Beispiel wären meine Beziehungen. Wenn ich die Verantwortung für meine partnerschaftliche Beziehung übernehme, dann ist das mit gewissen Pflichten verbunden. Ich muss meinen Teil gegenüber meiner Ehefrau, meinem Ehemann, meiner Freundin oder Freund, kurz meinem Partner erfüllen. Nur dann kann ich die Früchte einer tiefen, auf Verbundenheit bestehenden Partnerschaft ernten. Das heißt aber auch 100% der Verantwortung zu übernehmen, nicht 50% oder irgendeinen anderen Prozentsatz. Nur wenn jeder Partner in der Beziehung 100% Verantwortung trägt, dann ergibt das in Summe 100%. Nicht wenn jeder sich nur für 50% verantwortlich fühlt.

Ich denke das rührt daher, dass die klassische Definition der Verantwortung so aussieht:

Verantwortung bedeutet, die Verpflichtung zu haben für einen möglichst guten Ausgang einer Sache zu sorgen.

Implizit bedeutet das aber auch, dass wenn die Sache nicht optimal ausgegangen ist — was meistens der Fall ist — wir nach einem Schuldigen suchen. Wer ist schuld? Auf dieser Ebene nehmen wir Verantwortung als Schuld auf. Und ich glaube, dass wir auch deswegen Verantwortung ablehnen, weil wir nicht der Schuldige sein wollen.

Diese Auffassung und Verbindung von Verantwortung und Schuld sehen wir auch in unserem Rechtssystem. In der Rechtssprechung wird immer ein Schuldiger gesucht. Die Schuld wird dann immer verteilt. Z.B. könnte bei einem Unfall die Rechtssprechung so aussehen, dass eine Partei 80% der Schuld bekommt und somit auch 80% der Kosten tragen muss und die andere Partei 20% der Schuld bekommt und somit 20% der Kosten tragen muss. Damit wurden dann 100% der Schuld verteilt. In einer Beziehung kann das aber nicht funktionieren. Wenn die Partner versuchen die “Schuld” in irgendwelchen Prozentsätzen unter sich aufzuteilen — was wir beim Streiten über eine Sache implizit fast immer versuchen — dann werden sie zu keinem fruchtbaren Ergebnis kommen. 50% Verantwortung für etwas zu übernehmen, bedeutet überhaupt keine Verantwortung zu tragen.

Eine viel bessere Definition von Verantwortung wäre meiner Meinung nach die Folgende: Verantwortung bedeutet, man hat die Fähigkeit zu antworten, z.B. die Fähigkeit dem Leben zu antworten. Das hat nichts mit Schuld zu tun, sondern damit ob ich mich selbst ermächtigen kann, zu handeln. Denn die Fähigkeit zu antworten, ist die Grundvoraussetzung für die Freiheit zu handeln. Ohne die Freiheit zu handeln, kann man auf das Leben nur noch reagieren, nicht mehr proaktiv agieren und gestalten. Man macht sich selbst zu einem Spielball der Umstände. Wenn man 100%-ige Verantwortung für sein Leben übernimmt, dann bekommt man die Freiheit zu handeln und das bedeutet man hat alle Möglichkeiten.

Oft sträuben wir uns die 100%-ige Verantwortung für unser Leben zu übernehmen, weil wir glauben, dafür erst andere Menschen verändern zu müssen. Wir versuchen das zwar immer wieder, aber tief in uns drin wissen wir, dass das nicht geht. Wir können niemanden verändern. Wir können nur uns selbst verändern. Wenn wir das akzeptieren, wenn wir das erstmal tief verstanden haben, dann ist das ein Leben in Verantwortung und Freiheit.

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Alex Koch
Alex Koch

Written by Alex Koch

Ehemann und Vater seiner Wortschöpfungen. Neugieriger Mitmensch. Geschichten Erzähler. Podcaster @Drachenreiten Podcast, YouTuber (Alex Koch)

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